Ich bewundere Menschen, die Romane schreiben. Deshalb freut es mich, dass sich der deutsche Krimi-Autor Jörg Böhm Zeit für ein ausführliches Gespräch über die Arbeit und den Alltag als Krimi-Autor nahm. Und mir die ganz besonderen Umstände verraten hat, unter denen sein neuestes Buch entstand.
? Jörg, mit „Moffenkind“ hast du jetzt deinen 4. Krimi geschrieben. Wann hast du deine Leidenschaft fürs Schreiben, und speziell fürs Krimi-Schreiben entdeckt?
Jörg Böhm: Das war im Jahr 2007. Ich habe in meiner Lieblingsbuchhandlung und in Stadtbücherei einfach nicht mehr das gefunden, was ich selbst gerne lese. Und da ich ausgebildeter Redakteur bin habe ich mir gedacht, na, das mit dem Schreiben bekommst du auch selbst hin. Bis ich nach gut 100 Seiten gemerkt habe, ups, Krimischreiben ist ein Handwerk, das man beherrschen sollte, damit ich meinen wunderbaren Leserinnen und Lesern auch spannende Lesestunden schenken kann. Also habe ich alles in den Giftschrank verschlossen, mir damals eine Mentorin gesucht und dank ihr, mit ihr, über sie – wie auch immer man das ausdrücken mag – das Krimischreiben noch mal von der Pike auf gelernt. Und dieses Rüstzeug hilft mir jetzt und bei jedem neuen Buchprojekt, eine spannende Geschichte mit authentischen Charakteren, falschen Fährten und interessanten Nebensträngen zu entwickeln.
? Was ist schwerer? Das erste Buch zu schreiben oder – nach deinen Erfolgen – die jeweils nächsten?
Das ist wirklich eine spannende Frage (lacht). Aus Sicht des Autors ist es so, dass man sich schon vornimmt, von Buch zu Buch besser zu werden. Denn als Schriftsteller verhält es sich wie bei einem guten Wein, der auch mit der Zeit reift. Aber ob das einem gelingt, entscheidet einzig und allein der Leser. Aus literarischer Sicht freue ich mich immer wieder auf das neue Abenteuer. Ich habe noch so viele Geschichten im Kopf und noch so viel mit meinen wiederkehrenden Figuren, vor allem mit meiner Emma vor, dass ich mich wirklich schon nach dem magischen Wort „Ende“ nach dem ersten Wort des neuen Buches sehne.
? Stichwort „Deine Emma“ – verrate uns mehr.
Ich bin ein waschechter Rheinländer. 1979 in Neuwied geboren und in einem kleinen Ort im Westerwald aufgewachsen habe ich aber lange Zeit dort gelebt und gearbeitet, wo meine Emma-Hansen-Krimis spielen: im Südschwarzwald und an der Südlichen Wienstraße. Nun lebe ich seit Anfang 2015 in der Lüneburger Heide. Aber meine Sehnsucht gilt dem Meer, weswegen ich nicht nur mit meiner Emma auf die Insel Bornholm und damit ans Meer zurückkehren werde, sondern mich eben mit dem 1. Kreuzfahrtkrimi „Moffenkind“ auch auf die stürmische und sogar mörderische See gewagt habe.
? Wie hast du deinen ersten Verlag für das Buch begeistern können? Hattest du einen Agenten? Was würdest du angehenden Schriftstellern raten?
Es gehören viele Faktoren dazu, um als Autor einen Verlag zu finden, der dann auch noch die Geschichten druckt und verlegt, die man sich da so ausgedacht hat. Eine gute Schreibe, Leidenschaft für das, was man tut, ein bisschen Disziplin und natürlich auch die nötige Portion Glück. Ein Agent hilft dahingehend ungemein, dass man als Autor seinen eigenen Weg findet und diesen auch geht. Er ist der richtige Begleiter auf dem größten Abenteuer eines jeden Schriftstellers.
? Was war der stärkste „Gegenwind“ auf Deinem Weg zum Krimi-Autor? Die größten Bremser?
Das stärkste Wort der deutschen Sprache heißt „Machen“, daher konzentriere ich mich immer nur auf das, was mich nach vorne bringt. Was ich selbst machen kann, um meinen Traum leben zu dürfen. Und auf dieser Reise gehört meinen wunderbare Leserinnen und Lesern der größte Dank, denn ohne sie wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.
? Als Journalist hast du Schreiben von der Pike auf gelernt. Erleichtert dies aber tatsächlich das Bücher-Schreiben? Oder ist der „journalistische Anspruch“ eher ein Bremser?
Es erleichtert ungemein. Gerade dann, wenn ich für meine Geschichte recherchiere, mit Experten und Fachleuten spreche und mich in die Geschichte so hineinversetzen kann, was wirklich wichtig und interessant ist für meine Leser. Denn ich möchte weder belehren noch langweilen, daher ist es immer sehr wichtig, einen Mittelweg zu gehen, der die Orte, die Charaktere mit ihren einzelnen Biographien und der über alles stehenden Geschichte, warum jemand um Mörder werden muss, miteinander verbindet.
? Wie gehst du beim Schreiben vor? Hast du das Ende bereits im Kopf? Oder entstehen viele Dinge erst im Tun? Wird vor der eigentlichen Schreibarbeit alles minutiös ausgetüftelt? Oder ist Platz für Improvisation?
Wenn ich das erste Wort schreibe, dann weiß ich schon, wie dieser Fall ausgeht, wer zum Mörder wird und warum, wer ermordet wird und welche Schuld oder welches Geheimnis die Figuren miteinander verbindet. Natürlich gibt es beim Schreiben immer die Möglichkeit, meiner Kreativität auch noch ihren freien Lauf zu lassen. So kann es beispielsweise sein, dass mir während des Schreibens eine Figur, die ich eher introvertiert und schüchtern entwickelt habe, zuruft, dass sie eher extrovertiert und laut ist. Oder aber ein Kapitel passt an einer anderen Stelle besser, sodass ich dann die Szenen-Reihenfolge ändere. Generell gilt aber: Je besser meine Planung oder meine Vorbereitung ist, desto kreativer ist der eigentliche Schreibprozess.
? Wie viel Zeit investierst du in die Recherche, wieviel dann ins Schreiben?
Das ist schwer zu sagen. Ich brauche fürs eigentliche Schreiben so an die vier Monate. Da ich von einer Idee, ihren handelnden Charakteren und auch den Orten erst einmal gefangen werden muss, kann der Prozess des Werdens mitsamt der komplexen Recherche schon mal gut doppelt so lange dauern. Insgesamt brauche ich also ein Jahr, um ein Buch fertigzustellen – von er erster Idee bis zum fertigen Manuskript.
? Seit Oktober 2014 bist du jetzt hauptberuflicher Krimi-Autor. Was hat den Ausschlag für den Ausstieg aus der Festanstellung als Pressesprecher gegeben?
Ich wollte nicht mit 80 Jahren im Schaukelstuhl auf meiner Veranda sitzen, dem Sonnenuntergang entgegenschaukeln und mich darüber ärgern, warum ich es damals nicht einfach gemacht habe und angefangen habe, zu schreiben. Denn so wie das stärkste Wort der deutschen Sprache eben „Machen“ ist, so ist das schlimmste Wort der deutschen Sprache „zu spät“. Also habe ich im Oktober 2014 beschlossen, meinen Traum zu leben. Und ja, ich backe jetzt sehr sehr viele kleine Brötchen, aber sie schmecken so viel besser. Und die lieben Worte und wunderbaren Rückmeldungen meiner Leserinnen und Leser, die von Buch zu Buch immer mehr werden, sind der offenkundige Beleg, dass ich alles richtig gemacht habe. Und dafür bin ich so unendlich dankbar.
? Wie gehst du vor, wenn du an einem neuen Buch sitzt? Wie ist dein Zeitmanagement, wie deine Tagesgestaltung?
Ich sitze wie viele Menschen, die in einem Büro arbeiten, auch zwischen 8 und 9 Uhr am Schreibtisch. Dann kümmere ich mich um Lesungsanfragen, schreibe Rechnungen oder Verträge, telefoniere mit meinen Experten oder mache die Steuern. So richtig kreativ werde ich mit dem zweiten Nachmittagskaffee so ab 15, 16 Uhr. Und wenn es dann läuft, mich als die Muse küsst, dann kann es schon mal vorkommen, dass ich die Zeit vergesse und dann bis Mitternacht oder später am Buch sitze und schreibe.
? Was reizt dich an Kreuzfahrten und wie viele Kreuzfahrten hast du bereits gemacht?
Ich liebe Kreuzfahrten, denn es ist für mich die schönste Form, elegant, majestätisch und bequem von einem Ort zum anderen zu gelangen. Bisher habe ich schon sechs Kreuzfahrten als Gast oder auch als Gastkünstler erleben dürfen. In diesem Jahr werden weitere sechs folgen. Und es ist für mich jedes Mal das gleiche Abenteuer, als würde ich ein Buch schreiben. Du weißt zwar, wohin dich die eise führt, aber du weißt noch nicht, was du auf dieser Reise alles erleben wirst.
? Wie lange hast du an deinem neuen Krimi „Moffenkind“ geschrieben?
Mit der gesamten Vorplanung, meinen Recherchereisen und der kompletten Neuentwicklung meiner Geschichte – die erste Idee, die ich schon ausgearbeitet hatte, hat mich so gar nicht ergriffen und berührt – habe ich zwei Jahre an „Moffenkind“ gearbeitet. Das schließt die Zeiten, in denen meine Testleser und die Lektorin das Manuskript auf Herz und Nieren geprüft haben – was manchmal ganz schön weh tut, wenn die Seiten mehr rote Farbe als schwarze Farbe aufweisen -, mit ein.
? Dein neuer Kreuzfahrtkrimi „Moffenkind“ erschien am 31. März 2016. Moffenkinder nennt man die Kinder von Wehrmachtssoldaten in den Niederlanden. Was an den Moffenkindern hat dich inspiriert, einen Krimi zu schreiben?
Es sind die tragische Schicksale der Frauen, die sich mit dem Feind eingelassen haben, die mich so gepackt und gefesselt hat, dass ich darüber mehr erfahren und eben auch einen Krimi schreiben wollte. In meinen Krimis haben die Geschichten immer ihren Ursprung in der Vergangenheit, mit Auswirkungen bis ins Hier und Jetzt. Und als ich dann noch erfahren habe, das meine eigene Schwiegermama ein eben solches Moffenkind ist, da wusste ich, ich hatte meine Geschichte, die in Amsterdam beginnt und auch dort den Showdown für die letzte Etappe dieser Kreuzfahrt mit ihrem Ende in Hamburg einläutet.
? Ist dir eine der Figuren besonders ans Herz gewachsen?
Meine Figuren sind mir während des Schreibprozsses alle sehr nah. Sie sind ein teil von mir, ohne das ich ein teil von ihnen bin. Ich beobachte sie, fühle mit ihnen, leide mit ihnen und freue mich mit ihnen. Das gilt für meine Heldenfiguren genauso wie für meinen Mörder beziehungsweise meine Mörderin oder aber auch für die Charaktere, die nur kurz auftauchen, der Geschichte aber unter Umständen eine neue Wendung geben oder die Handlung mit einer manchmal noch so winzigen Kleinigkeit vorantreiben.
? Dein neues Buch entstand in Kooperation mit der Reederei AIDA und für deren neues Schiff, die AIDAprima, und war eine Auftragsarbeit. Wie kam das zustande?
Ich darf mittlerweile seit drei Jahren Lesereisen auf den AIDA Schiffen absolvieren und anscheinend hat das den Passagieren und vor allem den Verantwortlichen bei AIDA so gut gefallen, dass man mich vor zweieinhalb Jahren gefragt hat, ob ich mit ein solches Projekt vorstellen könnte. Was für eine Ehre! Ich bin immer noch ergriffen, dass man mir so viel Vertrauen entgegengebracht hat. Und trotzdem war es eine besondere Herausforderung, denn ich wollte mir nicht nur neue Figuren entwickeln, sondern ich stand auch vor der Aufgabe, authentisch und lebensecht alle Orte dieser Reise so einzubinden und mit meiner Geschichte zu verweben, das niemand das Buch zuklappt und denkt, was für ein Schmarrn.
? Hat das Schreiben nicht ungemein erschwert, wenn ein Geldgeber einem im Nacken sitzt? Gab es No-Gos, was Du nicht schreiben darfst?
Natürlich gab es sicherlich auch bei AIDA Menschen, die mich nicht kannten und somit auch nicht wussten, was ich schreibe. Die vielleicht sogar Angst hatten, meine Bücher würden vor Blut triefen, seien mehr grausame Psychoschocker als klassische Kriminalromane und die befürchteten, ich würde so die Leute eher abhalten, eine Kreuzfahrt zu buchen als ihnen Fernweh zu vermitteln. Doch gerade meine Lesereisen an Bord und die Begeisterung der Passagiere und damit auch meiner Leser, die meine Landhaus-Krimis, wie ich meine Emma-Hansen-Krimis beschreibe, so lieben, waren der Beginn dieses Erfolgs und man hat mir von Anfang an freie Hand gelassen. Mit einer kleinen Einschränkung: Ja, es gibt keinen Mord an Bord, auch keinen hohen Wellengang oder schlechtes Essen. Aber das war auch nicht handlungstragend. Das Schiff ist eben das Transportmittel. Dafür lasse ich an den wunderschönen Orten dieser Reise morden – und das nicht zu knapp. J
? Und doch heißt das Schiff jetzt nicht Aida in Deinem Krimi. Warum?
Vielleicht weil AIDA doch Angst hatte, es würde ein Mord an Bord passieren (lacht). Nein, Spaß beiseite. Die Reederei und vor allem der Entertainment-Bereich sind unglaublich weitsichtig und offen für neue Ideen und Möglichkeiten, Das Erlebnis des Reisens mit einem Buch, das genau diese Reise und deren Orte aufgreift, miteinander zu verbinden. Und da andere Reedereien wie beispielsweise Costa ebenfalls diese Metropolentour fahren, bietet es sich an, auch diesen Passagieren das Gefühl zu vermitteln, Teil dieses Krimis zu sein.
? Du erwähnst in deinem Krimi das neue Flaggschiff AIDAprima und in deiner Danksagung das AIDA-Team. Welche Unterstützung hast du von AIDA für deine Recherche bekommen?
Ich habe wirklich die beste Unterstützung bekommen, die man sich als Autor vorstellen kann. Denn ich durfte von Anfang an Teil dieses wunderbaren Teams sein, als Hilfsscout die Passagiere nach Stonehenge, Honfleur oder Brügge begleiten, um so noch näher bei den Passagieren und damit meinen Lesern zu sein und mich so gleichzeitig auch von den Orten, die Schauplätze in meinem Krimi sind, aufsaugen zu lassen. Gerade dieses Zusammenspiel, nah bei den Gästen und gleichzeitig Teil von AIDA sein zu dürfen, hat mein Buch so viel besser, authentischer, lebensechter gemacht und gerade deshalb gilt der Crew eben auch ein ganz großes Dankeschön.
? Hast du schon deine nächste Kreuzfahrt geplant und wird es einen weiteren Kreuzfahrtkrimi geben?
Meine nächsten Lesereisen stehen auf der AIDAprima im Mai und im Juni an. Danach führen mich meine Lesereisen mit AIDA in die Ostsee, ans Nordkap und zu den Highlights am Polarkreis. Das sind nicht nur wunderschöne Routen, um den Gästen aus meinen Krimis vorlesen zu dürfen, sondern auch faszinierende Orte, an denen Krimis spielen können. Ich habe auch schon eine Fortsetzung für einen zweiten AIDA Kreuzfahrtkrimi im Kopf (lacht).
Lieber Jörg, herzlichen Dank für das Gespräch!
super 🙂
sehr schön, durch diesen Artikel habe ich erstens Motivation bekommen, an meinem Krimi weiterzuschreiben und zweitens wurde meine Neugierde auf das Moffenkind geweckt!