Deep Work – kennst Du diesen Begriff? Er wurde geprägt von Cal Newport, einem amerikanischen Informatikprofessor und Autor des Buches „Deep Work“ (deutsch: „Konzentriert arbeiten: Regel für eine Welt voller Ablenkungen“). Und er meint damit, dass wir Phasen brauchen, in denen wir unsere ungeteilte Aufmerksamkeit einer Aufgaben widmen sollten – anstatt ständig aus dem Tun gerissen zu werden und von einer Unterbrechung in die andere zu taumeln.
Ganz so, wie ein Tiger ja auch in freier Wildbahn agiert: wenn er auf der Jagd ist, ist er fokussiert, voll auf sein Tun konzentriert!
Aber was machen wir?
Wir lassen uns ständig stören! Mit fatalen Folgen für unsere Gesundheit, unsere Produktivität, unsere Zufriedenheit! Je mehr wir aus dem aktuellen Tun gerissen werden, desto voller ist unser Kopf, und desto leerer fühlt sich dann unser Hirn an. Anstatt voller Energie unsere Aufgaben zu erledigen, havarieren wir hirnlos durch die Tage, stellte ich erneut und stärker denn je bei den Recherchen für mein neues Buch, den SPIEGEL-Bestseller »Kopf voll, Hirn leer« fest.
Die gestörte Gesellschaft – die Folge ständiger Unterbrechungen
Bereits in meinen ersten Zeitmanagement-Seminaren 2004 brachte ich den Teilnehmer:innen die Idee des störungsfreien Arbeitens näher. Mein Credo: „Wir brauchen nicht mehr Zeit, wir brauchen mehr ablenkungsfreien Rückzug!“. Denn: Wer ständig erreichbar ist, erreicht nichts!“ Ich nannte es „Zeitinseln für konzentriertes Tun“ oder „Fokuszeiten“. Endlich mal fokussiert ein Thema zu Ende bringen zu können, davon träumten die meisten Menschen bereits damals – und schafften es doch kaum, sich auch mal abzuschotten.
Vielleicht stieß ich so früh auf dieses Thema, da ich als freie Journalistin meine ersten Erfahrungen in den hektischen Zentralen großer Medien sammelte und dann zunächst Zeitmanagement-Seminare für Menschen aus der Kreativ-Branche hielt. Die Berufsgruppe der Kreativen galt schon immer als stark stress-belastet, fanden Forscher der Universität Toronto laut der Zeitschrift “Social Science Research” heraus.
Heute sind es alle „Wissensarbeiter:innen“ die sich fragen, wie wir im digitalen Zeitalter Arbeit gestalten müssen, um optimale Bedingungen für (Wissens-)Arbeit zu schaffen. Wissensarbeit ist Gehirnarbeit, die in den meisten Unternehmen erschwert wird durch Lärm in Großraumbüros, Fragmentierung der Zeit in sinnloses Zeitkonfetti (beispielsweise durch zu viele Meetings in zu enger Taktung), Multitasking, Information Overflow und einer aufgedrückten „Kultur“ der ständigen Erreichbarkeit. Kurze „Hast-du-gerade mal 2 Minuten-Anfragen“ sind inzwischen quer durch alle Branchen und quer durch alle Hierarchien an der Tagesordnung.
Das Perfide: einer aktuellen Studie von NEXT WORK INNOVATION zufolge brauchen wir mindestens 15% der Zeit, die wir uns um die eigentliche Aufgabe kümmern wollten, zum sogenannten Re-Fokussieren. Bei komplexen Aufgaben steigt dieser Wert sogar auf bis zu 24 %. Im Klartext: drei verlorene Arbeitstage pro Monat für jeden Vollzeitbeschäftigten!
Du willst eine Stunde lang eine Präsentation erstellen? Einen Bericht schreiben? Eine Auswertung fahren? Dann kannst Du gleich mal weitere neun Minuten aufschlagen, die Du nach einer Störung brauchst, um den roten Faden zu finden. Dumm nur, dass wir heutzutage alle vier (!) Minuten aus der Arbeit gerissen werden! Nach einschlägigen Studien der Unterbrechungsforscher (jaaa, die gibt’s tatsächlich) wurden wir 2008 „nur“ alle 11 Minuten gestört. Bis wir uns nach einer solchen Unterbrechung wieder voll konzentrieren können, brauchte es vier bis acht Minuten, fand das New Yorker Forschungsinstitut Basex heraus. Kein Wunder, dass wir da nichts schaffen!
Wie lange brauchst Du, um nach einer Unterbrechung den roten Faden wieder zu haben?
Mittlerweile sind wir schneller geworden: nach einer kurzen und kleinen Störung (z.B. durch ein aufpoppendes eMail-Vorschau-Fenster) brauchen wir nur mehr 64 Sekunden um den roten Faden wieder zu haben. Wenn es gut geht. Aber das tut es meist nicht! Denn immer häufiger führen Störungen dazu, dass wir einer Kettenreaktion der Ablenkungen folgen. Die “chain of diversion” setzt sich bei vielen Menschen in Gang, nachdem wir durch eine Störung, eine Push-Nachricht oder ein “Pling” am Smartphone abgelenkt wurden. Wie ferngesteuert gehen wir uns dannn einen Kaffee holen, rufen eMails ab, spazieren bei KollegInnen vorbei oder greifen zum Telefon, anstatt konzentriert unsere Aufgabe weiter zu erledigen. Und – zack – sind weitere 15 Minuten verstrichen.
Infoflut macht den Kopf voll
Hinzu kommt eine Info-Flut sondersgleichen: Seit am 23. April 2005 zum ersten Mal ein Video auf You- Tube hochgeladen wurde, werden heute 720 000 Stunden (!) pro Tag an neuem Content hochgeladen, der gesehen werden will! Und die Reize schaffen es, dass wir ihnen erliegen: 5 Stunden und 22 Minuten klicken wir uns täglich durch die Weiten des Internets, wobei nur 83 Minuten auf das inhaltlich genutzte Internet entfallen, der Rest ist Streaming, Gaming, Surfen.
Knapp 4 Stunden am Tag saugen wir News, Musik, Unterhaltung und Werbung aus dem guten alten TV-Gerät. 91 Minuten lang holen wir uns die Dröhnung aus dem Radio. Rund 90 Minuten am Tag sind wir fleißig lesend und schreibend in den sozialen Medien unterwegs. Im Schnitt rauschen uns derzeit täglich 80 Mails in die Inbox, Tendenz steigend. Manche meiner Kunden erhalten um die 300 Mails pro Tag, weil sie bei vielen Projekten in »cc« liegen, und das E-Mail-Pingpong das Volumen aufbläht.
Auch die Einführung von Chatprogrammen wie Slack oder MS-Teams konnte in vielen Unternehmen dieser Infoflut keine Zügel anlegen. Im Gegenteil: Statt in einem Kanal alle Unterhaltungen zu bündeln, müssen Berufstätige jetzt mindestens zwei Kanäle im Blick behalten und dort aktiv sein. Dann kommen vielleicht auf deinem Smartphone noch dutzende Pushnachrichten aus deinen Shopping-, Tradingoder Gaming-Apps dazu, die in dein Gehirn reinwollen. Allein die Push-Benachrichtigungsplattform Accengage versendete in einem Jahr 38 Milliarden (!) Pushbenachrichtigungen im Auftrag ihrer Kunden an 750 Millionen Endkunden – rein rechnerisch kamen pro App-User 50 Pushnachrichten am Tag an und zogen die Aufmerksamkeit auf ein neues Kaufangebot, den heißen Aktientipp oder die ultimative Rabattaktion. 23 Prozent der deutschen Empfänger klickten dann sogar, um mehr über die Angebote zu erfahren. Das sind Traumquoten für die Werbetreibenden, für unser Gehirn jedoch miserable Voraussetzungen, um fokussiert und konzentriert zu sein.(Quelle für alle Zahlen: „Kopf voll, Hirn leer“, S. 19ff)
Dabei geht es gar nicht darum, die digitale Welt zu verteufeln! Nein, ich finde es fantastisch, wie eng wir rund um den Globus mit unseren Freunden in Kontakt sein können, wie flexibel wir räumlich und zeitlich arbeiten können, wie einfach wir an Informationen kommen und wie schnell wir Waren bestellen oder Reisen buchen können. Internet und Smartphones sind eine immense Verbesserung unserer Lebensqualität – wenn wir die Herrschaft über die Contentflut behalten und uns nicht von unseren Gadgets versklaven lassen.
Apple-Gründer Steve Jobs hatte eine Vision: Apple-Produkte sollten helfen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Menschheit voranbringen. Tja, im gewissen Sinne hat er seine Vision erfüllt – wenn da nicht wir als Nutzer wären, die nie richtig gelernt haben mit all den feinen Gadgets umzugehen. Nicht das Werkzeug ist das Problem, sondern derjenige, der es nutzt. Anstatt unsere Aufmerksamkeit gebündelt wie ein starker Scheinwerfer auf die wichtigen Themen zu legen, zerstreut es sich wie ein Lichtschein auf einer Pfütze.
Klar wissen wir, dass wir mal die Tür zumachen sollen. Handy aus, Email-Alert abstellen, Bürolärm ausblenden. Sonst kann man sich ja nicht konzentrieren, das ist schließlich allgemein bekannt. Aber warum setzen wir es denn dann nicht auch um? Weil zwischen Wissen und Tun eine Menge zu tun ist 🙂
Unsere folgenden acht Tipps holen Dich aus der Unterbrecher-Falle heraus und helfen Dir, Zeitinseln für Deine Fokuszeiten zu etablieren und zu schützen.
In 8 Schritten zur Fokuszeit, zu mehr Konzentration & mehr Produktivität (Deep Work im Einsatz)
Sich von erfolgreichen Fokuszeiten-Beispielen den Rücken stärken lassen
Lasse Rheingans, Chef einer Digitalagentur in Bielefeld, hat klare Vorgaben gemacht. In meinem Podcast-Interview erzählt er, dass jegliche Ablenkungen durch Social-Media oder Nachrichtenportale, ja sogar Small-Talk, in seiner Agentur verboten sind. Der Effekt: die Arbeitszeit der Mitarbeiter konnte von einer 40-Stunden auf eine 25-Stunden-Woche reduziert werden – bei gleichem Gehalt! Das kann doch gar nicht gehen? Doch! Warum Lasse Rheingans davon überzeugt ist, dass wir Arbeit komplett neu denken müssen und der 5-Stunden-Tag zukunftsweisend ist, erklärt er auch in seinem Buch „Die-5-Stunden-Revolution“.
Wie erreichbar „musst“ Du sein?
Häufig glauben wir, dass unsere Arbeitgeber, Kollegen oder Bekannten erwarten, dass wir permanent erreichbar sind. Wir wissen es aber nicht. 38 Prozent der Teilnehmer einer Studie der Uni Freiburg wussten beispielsweise nicht, ob ihr Chef außerhalb der Arbeitszeiten eine Reaktion auf arbeitsbezogene Anrufe, Mails oder Kurznachrichten erwarte. Resultat: sie waren immer „on“, um nichts zu verpassen.
Der Ausweg: Bespreche ganz klar, wer wann für was erreichbar sein muss. Und dann entspann Dich 🙂
Du glaubst berufliche Rückfragen in Deiner Freizeit stressen Dich nicht? Die Freiburger Studie zeigte, dass selbst kurze Fragen an einem Sonntag-Nachmittag die Zufriedenheit mit dem Wochenende spürbar senkte. Bei mir kommt noch erschwerend hinzu, dass ich nach negativen Mails oder Messages mit einem To-Do für mich gedanklich nicht mehr abschalten kann. Die Erholung ist gelaufen!
Seit Jahren bin ich deshalb in meiner Freizeit nicht erreichbar. Der Anfang war leicht, weil ich entweder mein Handy daheim vergessen hatte, oder der Akku leer war. So lernten meine Familie und meine Freunde „Cordula kannst Du eh nie erreichen!“ Und auch heute passiert es, dass ich WhatsApp-Nachrichten erst zwei Tage später sehe, wenn ich mein Smartphone zur Hand nehme.
BONUS-TIPP #1 Deep Work
🔍 Beobachte dich in den kommenden Stunden und Tagen: Wie oft wirst du tatsächlich aus dem Tun gerissen – und ganz wichtig, wie geht es dir damit? 😕 Schau dir dabei auch deine konkrete Tätigkeit an und prüfe, ob es überhaupt Sinn macht, dich abzuschotten und Fokuszeiten einzurichten. 🧘♂️
Denn: Vielleicht liebst du es, viel gestört zu werden, schnell mal hier, schnell mal dort aktiv zu sein. 🤹♀️ Überprüfe genau, wie gut es dir damit wirklich geht – und lege die Messlatte für „wie stark will ich mich stören lassen“ auf ein Maß, das dir und deiner Arbeit am besten entspricht. 📏💼
Denn: Die oben stehenden Deep-Work-Tipps 🧠 sind nur dann hilfreich, wenn du auch ernsthaft vorhast, dich nicht stören zu lassen. Wenn du insgeheim über den Kollegen froh bist, der deine Fokuszeit unterbricht 🤫, oder wenn du dich anstrengst, jedes Wort deines Gegenübers durch deine extra-geräuschabschirmenden Kopfhörer mitzuhören 🎧, dann solltest du vielleicht lieber zeigen, dass du gerade für eine Abwechslung zu haben bist. 😅 Sonst fühlst du dich abgeschottet, und es macht dir keinen Spaß – du hast nicht das Gefühl, deinem Work-Flow wirklich etwas Gutes zu tun. 🚫🌊
Du kennst mein Credo: Mach es auf DEINE Art! ✨ Und wenn es dir gut tut – dann bleib dabei! 🙌😊
BONUS-TIPP #2 Deep Work
Nutze immer wieder gezielt Fokus-Zeiten, in denen du ungestört und konzentriert arbeiten kannst. 🕑 Und in allen anderen Momenten stell dir meine neue Lieblingsfrage: Wen enttäusche ich, wenn ich jetzt „Ja“ sage? 🤔
Ja, du hast richtig gelesen – wenn du jetzt „JA“ sagst. Normalerweise denken wir, dass wir den Störer enttäuschen, wenn wir uns abgrenzen und nicht sofort reagieren. Doch dreh den Spieß um: Wenn du immer gleich Ja sagst und dich ablenken lässt, enttäuschst du jemand anderen – deinen Ehepartner ❤️, deine Kollegen 🧑🤝🧑, deine Chefin 🧑💼, deine Kunden 👥, deine Firma 🏢 – oder, in den meisten Fällen, dich selbst. 💔
Also, stell dir nicht nur das zufriedene Gesicht des Bittstellers vor 😊, wenn du helfen würdest, sondern all die enttäuschten Gesichter derjenigen, die zurückstecken müssen. 👥 Kleiner Trick: Stell einen kleinen Spiegel 🪞 auf deinen Schreibtisch und schau kurz hinein, wenn eine Störung kommt. Das hilft, den Fokus zu behalten! 🎯
sehr coole Ideen – mein Favorit ist das träumen 🙂
[…] vergessen. Wenn wir Dinge also wirklich erledigen wollen, sollten wir unseren Mitmenschen eindeutige Signale geben, damit wir nicht gestört […]