In einem meiner letzten Urlaube habe ich das Buch „Der Elefant, der das Glück vergass“ von Ajahn Brahm gelesen. Jeden Tag ein paar Geschichten, über die ich dann am Strand oder beim Laufen nachgedacht habe. Die Geschichte »Die Affen und der Affengeist« hat es mir dabei besonders angetan – denn sie bringt so treffend auf den Punkt, was wir Menschen machen, wenn wir „eigentlich“ mal zur Ruhe kommen wollen.
Diese Geschichte möchte ich hier gerne mit Euch teilen, doch vorab ein paar Gedanken zu unserem ständig »vollen Kopf« – einem Phänomen, das Du vielleicht auch kennst, oder? Viele Menschen fühlen sich in ihrem hektischen Alltag oft wie in einem Dschungel voller wilder Gedanken. Unser Geist und unsere Gedanken springen oft wie ein wilder Affe von Ast zu Ast. Dieser innere „Affengeist“ (Monkeymind) kann uns davon abhalten, wirklich zur Ruhe zu kommen und mentale Klarheit zu finden. Doch es gibt wirksame Methoden, wie du diesen unruhigen Geist beruhigen und tiefgreifende Entspannung erreichen kannst. In diesem Blogbeitrag stelle ich dir bewährte Entspannungstechniken, Achtsamkeit und Strategien zur Stressbewältigung vor, die dir helfen, deinen Kopf freizubekommen und innerlich zur Ruhe zu kommen.
Aber jetzt erstmal viel Spaß mit der »Affengeist«-Geschichte.
Die Affen und der Affengeist
An einem Feiertag erhielt das buddhistische Kloster Besuch von einem Affen. Zu diesem Anlass würden so viele Leute mit wohlschmeckenden Opfergaben kommen, hatte er sich gedacht, dass für ihn dabei bestimmt ein gutes Mittagessen herausspringen würde. Vielleicht würde ja jemand eine Mango fallen lassen oder einen Apfel vergessen.
Während er so vor der großen Halle des Klosters herumlungerte, bekam er zufällig mit, dass drinnen ein alter Mönch einen Vortrag über den »Affengeist« hielt. Das könnte ja ganz spannend sein, dachte sich der Affe, und hörte zu.
»Unter einem Affengeist«, sagte der alte Mönch, »versteht man einen unruhigen Geist, der von Hölzchen auf Stöckchen kommt, genau wie die Affen im Dschungel immer von einem Ast zum nächsten springen. Es ist ein schlechter Geist, der durch die Praxis der Meditation zurechtgerückt werden muss, damit er seinen Frieden finden kann.«
Als der Affe hörte, dass der Affengeist etwas Schlechtes sei, wurde er böse. »Was soll das denn heißen: der Affengeist ist ein schlechter Geist! Schließlich bin ich ein Affe und mein Geist ist völlig in Ordnung. Diese Menschen beleidigen uns. Das ist ungerecht. Es ist einfach nicht richtig. Ich muss dringend etwas gegen diese ungeheuerlichen Diffamierungen tun!« Dann schwang er sich von Ast zu Ast durch den Wald nach Hause, um bei Freunden seinem Ärger Luft zu machen.
Bald war die ganze Affenbande auf den Beinen, sprang auf und nieder und kreischte wild durcheinander: »Wir lassen uns doch nicht beleidigen! Das ist Artendiskriminierung! Wie können sie es wagen! Wir beschweren uns beim WWF und lassen uns von denen einen Anwalt geben! Schließlich haben wir Affen auch unsere Rechte!«
»Stopp!«, befahl ihr Anführer. »Versteht ihr denn nicht? Dieser Mönch hat vollkommen recht. Schaut euch doch nur an: Ihr springt da wie blöd auf und nieder und veranstaltet einen Heidenlärm. Das kommt dabei raus, wenn man einen Affengeist hat. Ihr könnt einfach nicht stillsitzen, ihr Affen!«
Die Affen erkannten, dass ihr Anführer die Wahrheit sagte. Sie alle waren mit einem Affengeist gestraft und würden nie ihren Frieden finden. Sie ließen die Köpfe hängen und brüteten schweigend vor sich hin.»Hey!«, meldete sich der Affe zu Wort, der im Kloster gewesen war. »Mir ist da gerade eine Idee gekommen. Dieser Mönch hat gesagt, dass man den Affengeist überwinden und zur Ruhe kommen kann, wenn man nur meditiert.«
Glücklich waren die Affen bald wieder auf den Beinen, sprangen auf und nieder und kreischten alle wild durcheinander. »Ja! Cool! Auf, lasst uns meditieren. Kommen wir zur Ruhe!«
Nach einer Weile warf einer der Affen die Frage auf: »So, und wie geht das nun, das Meditieren?«
»Als Erstes müssen wir uns ein Kissen zum Draufsitzen suchen!«, meinte ein Affe.
»Ja! Cool! Suchen wir uns Kissen!« Nach vielem Gespringe und Gekreische machten sie sich auf den Weg in den Wald, wo sie Gräser und weiche Blätter einsammelten, aus denen sie improvisierte zafus machten, wie man die buddhistischen Meditationskissen nennt.
»Und was machen wir jetzt?«
»Hockt euch auf die Kissen«, befahl der Affe, der im Kloster gewesen war. »Schlagt die Beine übereinander, legt die rechte Pfote auf die linke, dabei berühren sich die Daumen ganz leicht. Haltet den Rücken gerade. Schließt die Augen und beobachtet euren Atem.«
Dies war das erste Mal in der Geschichte, dass Affen meditierten. Nie zuvor hatte im Wald eine solche Stille geherrscht. Nur war sie leider nicht von Dauer.
»Entschuldigt mal kurz!«, unterbrach einer der Affen. Alle schlugen die Augen auf. »Mir ist da eben was eingefallen. Eigentlich wollten wir heute zum Mittagessen alle über die Bananenplantage herfallen, wisst ihr noch? Ich krieg das jetzt einfach nicht mehr aus dem Kopf. Was meint ihr, wollen wir nicht erst noch mal kurz zu der Plantage, damit das erledigt ist, und dann meditieren wir?«
»Klar doch! Cool! Spitzenidee!«, brüllten die anderen Affen, fingen schon wieder an, auf und nieder zu springen, und dann ging’s ab auf die Plantage. Sie klauten jede Menge Bananen, legten sie alle auf einen großen Haufen und begaben sich dann zu ihren Meditationskissen zurück. Sie hockten sich hin, kreuzten die Beine, legten behutsam die rechte Pfote über die linke, strafften den Rücken, schlossen die Augen und nahmen ihre Meditation wieder auf.
Nach zwei Minuten hob ein anderer Affe die Hand. »Entschuldigt mal kurz. Mir ist da auch was eingefallen. Bevor wir die Bananen futtern können, müssen wir sie ja auch noch schälen. Lasst uns das erst erledigen, dann kann ich auch wieder in Ruhe meditieren, ohne ständig daran denken zu müssen.«
»Aber klar doch! Cool! Daran haben wir auch schon gedacht«, brüllte der Rest der Affenbande. Also sprangen sie mal wieder auf und nieder, kreischten und schälten die Bananen.
Nachdem das geschehen und die Früchte erneut säuberlich auf einen Haufen gelegt waren, begaben sich die Affen zu ihren Kissen zurück. Ein weiteres Mal hockten sie sich hin, kreuzten die Beine, legten die rechte Pfote behutsam über die linke, strafften den Rücken, schlossen die Augen und beobachteten den natürlichen Fluss ihres Atems.
»Entschuldigt mal kurz!«, rief schon nach einigen Sekunden ein dritter Affe. »Aber mir ist auch was eingefallen. Bevor wir die Bananen futtern können, müssen wir sie uns ja erst mal ins Maul schieben. Lasst uns das erst erledigen, dann können wir nachher auch in aller Ruhe meditieren, ohne daran denken zu müssen.«
»Klar! Cool! Was für eine brillante Idee!« Alle Affen sprangen auf und nieder, veranstalteten einen Höllenradau und steckten sich eine Banane ins Maul. Ein paar auch zwei und einer sogar drei. Manche Affen sind eben auch nicht anders als manche Menschen. Allerdings futterten sie die Bananen noch nicht. Sie hatten nur etwas erledigt, damit sie später nicht mehr ständig daran denken mussten und den Kopf zum Meditieren frei hatten.
Anschließend hockten sie sich wieder auf ihre Kissen, kreuzten die Beine, legten die rechte Pfote behutsam auf die linke, strafften den Rücken, schlossen die Augen und nahmen mit den Bananen im Maul die Meditation wieder auf.
Nachdem aber alle die Augen geschlossen hatten, wurden die Bananen natürlich sofort aufgefuttert. Dann standen die Affen auf und machten sich davon. Das war das Ende ihrer ersten und einzigen Meditationssitzung.
Jetzt wissen Sie auch, warum es uns Menschen so schwerfällt, zur Ruhe zu kommen. Denn die meisten von uns haben einen Affengeist, und das bedeutet:
Ich erledige das nur noch kurz, dann setze ich mich ganz ruhig hin und meditiere.
Deshalb ist heutzutage, wie ich schon in einem meiner anderen Bücher erwähnt habe, der Friedhof der einzige Ort, an dem die Leute in Frieden ruhen. Abgesehen natürlich von buddhistischen Klöstern.“
Quelle: Ajahn Brahm, Der Elefant, der das Glück vergass (S. 121 ff)
Und noch eine schöne Geschichte, die prima passt:
„Es kamen ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister. „Herr“, fragten sie „was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.“ Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.“
Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: „Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?“
Es kam die gleiche Antwort: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ist und wenn ich esse, dann esse ich.“
Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend, fügte der Meister nach einer Weile hinzu: „Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein.“
Was kannst Du aus der »Affengeist«-Fabel für Dich mitnehmen?
Häufig kommen die Tage und Wochen mit geballten Terminen, neuen Aufgaben und zahlreichen Projekten daher. Bewusst erleben wir alleine schon die enge Taktung als Stress, empfinden Druck. Unbewusst erhöht sich unser Stresspegel nochmals, wenn nämlich die eigenen Erwartungen, schlechte Ernährung und fehlender Schlaf uns zusätzlich zermürben. Oder wenn die lieben „Anderen“ mit ihren Forderungen oder ihrer bloßen Anwesenheit uns chronisch nerven.
Auch wenn wir Menschen soziale Wesen sind – die Masse an Menschen setzt uns zu. Ergebnis: unser vegetatives Nervensystem läuft auf Hochtouren, der unbewusst arbeitende Symapthikus treibt uns an, treibt den Puls nach oben und macht uns aktiv. Soweit so schön – doch fehlt der Ausgleich, dann macht uns die chronische Anspannung krank. Wichtig deshalb, dass wir immer wieder bewusst unseren Erholnerv, den Parasympathikus, aktivieren und uns damit runterfahren.
Musst Du Dich jetzt auf die Yogamatte werfen? Nicht unbedingt! Denn erzwungene Ruhe kann uns zusätzlich stressen. Diese fünf Tipps helfen Dir, in eine gesunde Entspannung zu kommen:
Affengeist-Tipp #1: Beobachten
Beobachte Dich mal bewusst, wann Du am besten entspannen und abschalten kannst. Den Kopf frei bekommen auf der Yoga-Matte ist für viele Gestresste eher zusätzlich Stress, weil die meisten versuchen, auf Biegen und Brechen „Nichts“ zu denken. Vielleicht bekommst Du viel besser den Kopf frei im Hochseilgarten, beim Tanzen oder Kartenspielen?
Affengeist-Tipp #2: Innehalten
Halte im hektischen Alltag kurz immer mal wieder inne. Wenn Du in der Früh aus dem Haus gehst, atme tief ein und aus. Bleibe einen Moment stehen, und schaue Dich bewusst um. Was hörst Du? Was riechst Du? Was siehst Du? Mache das auch untertags immer mal wieder.
Affengeist-Tipp #3: Ausklinken
Suche bewusst die Ruhe. Schon mal „Waldbaden“ ausprobiert? Bei „Shinrin Yoku“, einem Trend aus Japan, den viele sicherlich auch hierzulande bereits seit Jahrhunderten machen, geht es darum, die äußeren Eindrücke der Natur tief in uns reinzulassen. Sind alle Sinne auf das Außen gerichtet, hat das Gehirn keinen Platz mehr, um Probleme zu wälzen.
Affengeist-Tipp #4: Austauschen
Treffe Dich regelmäßig mit Menschen, die Dich mögen. Tausche Dich aus, lacht gemeinsam, seid füreinander da. Forscher haben jüngst erneut belegt, dass wir Menschen in einem Gefühl der Geborgenheit sehr viel besser Stress abbauen können, und Schwierigkeiten leichter überwinden.
Affengeist-Tipp #5: Eintauchen
Du willst mental auch zwischendurch abschalten lernen? Dann tauche ein in Apps wie Headspace (Meditations-App, englisch), Meine-Ich-Zeit (kostenloser Alarm der an Auszeiten und Innenhalten erinnert) oder 7Mind („Jetzt-Übungen“ erleichtern Abschalten und Einschlafen).
P.S. Mehr Ideen, wie Du Deinen Monkey-Mind besänftigst, findest Du im SPIEGEL-BESTSELLER-Buch »Kopf voll, Hirn leer« oder im Buch »LMAA Lass Mal Alles Aus, Kapitel 31.
Je mehr wir uns gegen den Affengeist wehren, desto größer wird er und desto mehr nehmen wir nur noch ihn wahr.
Sehen wir ihn doch lieber als einen Gast in unserem Geist, behandeln ihn freundlich, aber quatschen nicht mit ihm und er wird auch wieder gehen. :o)
Eine tolle Geschichte!! Bringt schön bildhaft die springenden Gedanken hervor!
… und die Affen auf dem Bild sehen so ruhig und gelassen aus . . . Mein Erfahrung mit dem Affengeist ist die, dass es wenig nützt, diesen Geist loswerden zu wollen. Ihn zu bekämpfen und nicht mehr haben zu wollen, ist keine hilfreiche Zielsetzung. (Gehe mal in ein Reisebüro, um einen schönen Urlaub zu machen und sage, wo du NICHT hinwillst. DAS Beratungsgespräch wird sehr schwierig und langwierig.) Das ist, als wolle man all die Affen einfangen und fesseln und knebeln und wegsperren. Klingt nicht gut, ist auch nicht gut. Statt zu fokussieren, was man nicht mehr möchte, sollte… Weiterlesen »
Vielen Dank! Diese umfassende Übungsbeschreibung werde ich umstzen.
Vielen Dank! Diese umfassende Übungsbeschreibung werde ich umsetzen.
Sehr schön geschrieben, sehr schöne Bilder, sehr hilfreiche Tipps für mich, für jetzt gerade! Danke 🙂
Liebe Dorothea,
du hast es so trefflich auf den Kopf getroffen!
Vielen Dank für die tollen Tipps!
Es hilft, sich wieder über den eigenen Fokus klar zu werden und ihn zu verschieben.
Vielen Dank!
Ich kenne den Affengeist auch zur Genüge. Zu Zeiten, in denen ich viele verschiedene Projekte (beruflich wie privat) am Start habe, sucht er mich gerne nachts heim. Ich werde kurz wach, drehe mich im Bett um und will weiterschlafen. Doch er lässt mich nicht, zupft und zerrt an mir herum: Denk dran, du musst morgen dies, du musst das, vergiss nicht … Aufschreiben ist eine gute Methode, den Geist zu beruhigen. Allerdings mag ich das nachts nicht machen (bräuchte dazu Licht, was meinen Schatz wecken würde). Ich versuche also, schon im Laufe des Tages alles, was mir einfällt, egal wie… Weiterlesen »
Ohja, der Affengeist… Bei vielen Gedanken, die mir während des Meditierens kommen, stelle ich fest: ist nicht wichtig, wird mir nachher auch wieder einfallen, also kann der Gedanke ziehen wie eine Wolke am Himmel. Aber manchmal fallen mir ganz dringende oder wichtige Dinge ein, wo es fiese Konsequenzen für mich hätte, wenn sie mir nachher nicht oder erst sehr spät wieder einfallen würden. Dann unterbreche ich tatsächlich die Meditation und schreibe mir das auf. Grundlegend ist das mein Weg, ohne Unterbrechungen zu Meditieren: Wichtige und manchmal auch unwichtige Dinge konsequenter aufschreiben (gleich). Dann brauche ich mir keine Gedanken darüber zu… Weiterlesen »
Eine wundervolle Fabel! Diesen Affengeist kenne ich nur zu gut! Meditation ist eine tolle Methode, aber sie erdordert unglaubliche Disziplin – denn die Gedanken sind immer in Bewegung und tolle Einfälle während der Meditation damit vorprogrammiert. Eine Lösung dafür – da auch eine blaue Stunde am Tag nicht ausreicht – habe ich für dieses Phänomen noch nicht gefunden. Vielleicht hat ja hier jemand dafür einen Tipp. Ansonsten – never give up!